Diese Mütter und Familien sind bewundernswert
Sonja Himmelsbach, diplomierte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, erzählt über ihre Arbeit bei Wiens mobilem Kinderhospiz und Kinderpalliativteam MOMO und die besondere Eltern-Kind-Beziehung.
Wie kann die mobile Kinderkrankenpflege von MOMO betroffenen Familien helfen?
Meine Aufgabe ist es, schwerstkranke Kinder und ihre Familien bestmöglich zu unterstützen, damit sie die Zeit zu Hause so beschwerdefrei wie möglich erleben können. Ich unterstütze Angehörige bei Materialbeschaffungen – es kann zum Beispiel sein, dass das Kind eine Atemunterstützung braucht. Oder es benötigt spezielle Nahrung, da es nur über eine Magensonde ernährt werden kann. Hierfür organisiere ich regelmäßig das notwendige Zubehör. Ich helfe bei der Beschaffung der Medikamente und punktuell bei der Pflege des Kindes.
Spielt die Vermittlung von Wissen eine große Rolle?
Ja, eine sehr große Rolle. Indem ich die Familien in notwendigen Pflegetätigkeiten schule, können sie ihr Kind selbstständig und selbstsicher versorgen. Ich informiere sie ebenso darüber, wie sie selbst mit einfachen Maßnahmen Erleichterung bringen können. Denn neben der Medikation, können auch spezielle Lagerungen und Wärmeanwendungen wohltun.
Was ist das Besondere daran, als Kinderkrankenpflegerin schwerstkranke Kinder zu Hause zu versorgen?
MOMO ermöglicht schwerstkranken Kindern in ihrem gewohnten Umfeld gepflegt zu werden. Für betroffene Familien nach der Entlassung aus dem Krankenhaus da zu sein, ist eine sehr schöne und sinnvolle Aufgabe. Vor allem für die erkrankten Kinder sind stressfreie Hausbesuche förderlich. Pflegeeinsätze zu Hause sind für die Familien zudem leichter zu organisieren, auch in Hinblick auf die gesunden Geschwister. Meine Hausbesuche entlasten die Familien somit auf mehreren Ebenen.
Was unterscheidet die Palliativpflege von Kindern und Erwachsenen?
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Es ist eine andere Art wie man auf schwerstkranke Kinder zugeht – sie können ihr Befinden ja nicht auf die gleiche Weise verbalisieren wie Erwachsene. Man muss sehr sensibel sein und die Eltern und Angehörigen immer miteinbeziehen. Die Eltern-Kind-Beziehung ist einfach eine ganz spezielle.
Wie würden Sie diese besondere Beziehung beschreiben?
Die Eltern sind die Experten, wenn es um ihr Kind geht. Sie kennen ihr Kind in- und auswendig und man könnte fast sagen, dass sie ihr Kind lesen können. Es braucht oft nur einen Blick auf das eigene Kind und sie wissen, dass es ihm heute nicht gut geht, oder dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt. Sei es ein Infekt – oder, dass ein schwerstbeeinträchtigtes Kind Schmerzen hat, die es aber nicht verbalisieren kann.
Welchen Herausforderungen begegnen Eltern schwerstkranker Kinder?
Wenn Kinder schwerstbeeinträchtigt sind, so sind das lange Krankheitsverläufe und es muss eigentlich immer ein Elternteil zu Hause beim Kind sein. Da ist an ein normales Arbeitsleben nicht zu denken. Auch hier – also bei der Beantragung von Pflegekarenzen – unterstützt MOMO die Familien. Diese Mütter und Familien sind bewundernswert. Sie widmen sich mit all ihrer Energie und Hingabe der Betreuung des schwerstkranken Kindes. Leider gibt es auch einen Anteil an alleinerziehenden Müttern, die wir betreuen. Denn die zusätzlichen Belastungen sind meist eine Zerreißprobe für die Beziehung.
Was ist das Wichtigste bei der mobilen Kinderkrankenpflege?
Hinhören können. Zuzuhören, wo die Familie gerade steht. Herauszufinden, was die Familie braucht und hinzuspüren, was ihr wichtig ist. Da sein, Gespräche anbieten, aber sich nicht aufdrängen. Da die Angst vor leidvollen Situationen oft groß ist, bespreche ich mit der Familie alle möglichen Komplikationen. Denn es ist mir wichtig, Familien auch auf potentielle Krisensituationen vorzubereiten.
Wie gehen Sie mit belastenden Situationen um?
Es ist wichtig, sich einerseits auf die Familie einzulassen, andererseits zu versuchen bei sich zu bleiben – das ist natürlich nicht immer leicht. Wenn ein Kind stirbt, teile ich die tiefe Trauer, aber bleibe die Stütze im Hintergrund. Dort, wo die meisten anderen am liebsten davonlaufen würden, bleibe ich da und halte mit den Familien gemeinsam diese schwersten Momente aus.
Fotocredit: Inge Prader